23. Dezember 2016

Ich bin Milchbäuerin und liebe meinen Beruf

Die Milchwirtschaft ist ganz und gar nicht mehr eine reine Männerdomäne

Anika Pauwen (31 Jahre) ist ausgebildete Land- und Agrarbetriebswirtin. Der Betrieb, den Anika zusammen mit ihren Eltern bewirtschaftet, liegt am Niederrhein, in Wetten, einem kleinen Dorf mit rund 2600 Einwohnern. Anika kümmert sich um 85 Milchkühe und nochmal die gleiche Anzahl an Jungvieh. Insgesamt umfasst ihr Betrieb 52 Hektar Fläche, davon sind rund 20 Hektar Grünland und 32 Hektar Ackerland. Angebaut werden vorwiegend Silomais, aber auch Weizen, Gerste und Ackergras. Frauenpower, so sagt sie, sei besonders wichtig. Frauen würden einfach Dinge manchmal auch anders sehen und gehen anders mit Herausforderungen um, die das Leben und Arbeiten in der Landwirtschaft mit sich bringen.

Anika, warum sind Sie Landwirtin geworden?

„Ja, das ist eine gute Frage. Ab einem gewissen Alter überlegt man sich, wo die berufliche Reise hingehen soll. Ich habe viele Praktika gemacht, aber es war alles nicht das Richtige. Ich wollte einen Beruf ausüben, der nicht nur ein Beruf ist – es sollte eine Berufung sein. Und der Beruf Landwirtin ist eine Berufung für mich. Man ist den ganzen Tag über an der frischen Luft, arbeitet mit Tieren und Pflanzen, mit Maschinen und muss mit Werkzeug umgehen können. Mich reizt einfach die Vielfalt in diesem Beruf. Man weiß nie, wie der Tag endet; es kann mal schnell ein Tier krank werden, Maschinen kaputtgehen oder das Wetter nicht mitspielen. Es wird nie langweilig und jeder Tag ist anders. Ich kann den ganzen Tag in den Klamotten rumlaufen, die mir gefallen. Den Kühen ist das egal. Das ist tausendmal besser als jeden Tag im Anzug irgendwo zu stehen. Man genießt die Freiheit. Es ist schwer das zu beschreiben, aber ich liebe meinen Job.“

Was ist das Besondere an diesem Beruf, und was braucht es an Besonderem für diesen Beruf?

„…naja…man ist selbstständig. Das heißt, man arbeitet ‚selbst‘ und ‚ständig‘. Man muss immer da sein oder erreichbar sein. Muss im richtigen Moment die richtige Entscheidung treffen. Zum Beispiel: ‚Fahren wir heute das Gras zusammen oder warten wir bis morgen? Was macht das Wetter? Was macht die Trockenheit?‘ Man sollte offen für Neues sein und nicht blind über den Betrieb laufen. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass auch schon mal die Nacht zum Tag gemacht wird, etwa wenn das Kalb einfach nicht kommt und der Tierarzt einen Kaiserschnitt machen muss.“

Vielen gilt die Milchwirtschaft als eine Männerdomäne …

„Ich finde, ein Betrieb funktioniert nur gut mit Frauenpower. Frauen sehen einfach mehr als Männer, gehen anders mit Dingen um und auch wenn die Männer mächtig stolz auf ihre Muskeln sind, – die brauchen wir nicht, dafür gibt es zum Glück heute wunderbare Hilfsmittel, Hoftrac, die fahrbare Schubkarre oder den Melkroboter.“

Ihr Hof ist technisch auf einem sehr modernen Stand. Wieviel Überzeugungsarbeit mussten Sie leisten, um diese doch sehr weitreichenden und auch finanziell sehr aufwändigen Veränderungen durchzusetzen?

„Vor vier Jahren haben wir in einen Melkroboter investiert, der alte Melkstand war in die Jahre gekommen, Reparaturen häuften sich. Und fünf bis sechs Stunden täglich in dem Loch stehen, das wollte keiner mehr von uns. Hinzu kamen gesundheitliche Probleme, Schulterschmerzen, Überlastungen und vieles mehr. Überreden musste ich hier keinen; das wurde in der Familie ausführlich diskutiert, bis wir zu einem Entschluss gekommen sind. Bis jetzt sind alle mit dem Kauf mehr als zufrieden. Anders sah es mit dem Kauf eines Hoftracs aus, den wir 2010 nach langem Hin und Her gekauft haben. Mein Vater war total dagegen. Da habe ich echt Überzeugungsarbeit leisten müssen. Und heute kann sich keiner mehr den Hoftrac wegdenken.“

anika-pauenStichwort Nachhaltigkeit und Klimaschutz: Was tun Sie dafür?

„Das bringe ich jetzt mal in Zusammenhang mit dem Thema Gülle: Wir sorgen genauestens dafür, dass unsere Böden ausreichend mit Dünger versorgt werden. Aber nur so viel wie die Pflanze auch benötigt. Bodenuntersuchungen, Gülleproben, Futterproben werden jedes Jahr gemacht und daran wird sich orientiert. Bei uns ist Gülle ein Dünger und kein Abfallprodukt.“

Das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Politik ist in letzter Zeit eher getrübt. Woran liegt das?

„Auf jeden Fall auch an der Bürokratie. Die muss abgebaut werden. Die Zukunft wird nicht einfacher werden für uns. Immer noch mehr Auflagen und noch mehr Leute, die meinen, uns kontrollieren zu müssen. Dabei muss der Beruf doch für junge Menschen attraktiv sein. Ohne Nachwuchs stirbt er aus. Schon jetzt kommen 50% der Lehrlinge nicht mehr vom Bauernhof. Nur jeder Dritte übernimmt den elterlichen Betrieb. Wenn man sieht, dass man in anderen Berufssparten mehr Freizeit, mehr Geld, weniger Verantwortung und vor allem Urlaub hat, warum dann Landwirt lernen? Für mich ist und bleibt es der Traumberuf. Ich hoffe, die Politik versteht das irgendwann und denkt mal daran, was wäre, wenn es uns nicht mehr gäbe.“