14. August 2017

Die vier „K‘s“ spielen eine wichtige Rolle im Leben von Doris Berbecker. Gemeinsam mit ihrem Mann Ernst, den vier Kindern Marie, Frederik, Christoph und Lennard, der Schwiegermutter und den Auszubildenden bewirtschaftet die Diplom-Agraringenieurin einen Milchviehbetrieb im nordrhein-westfälischen Halver. DIALOG MILCH hat die Berbeckers auf ihrem Hof besucht und mit ihnen unter anderem über die zunehmende Technik im Kuhstall gesprochen.

„Wer Verantwortung für Tiere übernimmt, dessen Tag bekommt automatisch Struktur“, erklärt die aufgeschlossene Landwirtin, die sich nicht vorstellen könnte, Natur, Tiere und den Wechsel der Jahreszeiten nur vom Schreibtisch aus zu erleben. Das Wunder Leben, das mit jedem neugeborenen Kalb spürbar wird, die Vielfältigkeit der Aufgaben, die selbstbestimmte Arbeit: All das gehört für Doris Berbecker zur Landwirtschaft, da ist sie zu Hause. So geht es auch ihrem Mann Ernst, selbst staatlich geprüfter Landwirt, sowie drei der vier Kinder, die derzeit unterschiedliche Ausbildungswege im Bereich Landwirtschaft beschreiten. Die Berbeckers füllen damit den Begriff „Familienbetrieb“ auf besondere Art und Weise mit Leben.

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Mit Leib und Seele Milchbäuerin: Doris Berbecker aus Halver in NRW.

Neues Leben: Für die Berbeckers jedes Mal wieder

Neues Leben: Für die Berbeckers jedes Mal wieder „ein kleines Wunder“.

Tiergerechter Stallneubau

Rund 240 Milchkühe mit Nachzucht hält Familie Berbecker, die den heutigen, an aktuellen Tierwohlstandards ausgerichteten Boxenlaufstall in den Jahren 2004 und 2011 gebaut hat. „Wenn man solche Investitionen plant, dann steht auch das Thema Tierwohl ganz oben auf der Agenda. Mit dem, was wir unseren Tieren bieten, stecken wir zugleich den Rahmen ab für ihr Wohlbefinden, ihre Gesundheit und ihre Leistung“, sagt Doris Berbecker. Die 53-jährige ist selbst in der Landwirtschaft aufgewachsen und heute unter anderem für die Aufzucht der Kälber und die betriebliche Buchhaltung zuständig.

Dabei geben allerdings die Kälber die Tagesstruktur vor: Jeweils morgens und abends – und das auch an Samstagen, Sonn- und Feiertagen – geht es mit dem frisch gefüllten Milchtaxi zum Nachwuchs. Dieser wird am zweiten Tag nach der Geburt für ca. drei Wochen in Einzeliglus und dann in Fünfergruppen in „Kälber-WGs“ untergebracht. „Das machen wir unter anderem deshalb, weil wir so kontrollieren und sicherstellen können, dass jedes Kalb immer genug Milch aufnimmt“, erklärt Doris Berbecker.

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Der in den Jahren 2004 und 2011 neu gebaute Boxenlaufstall für 240 Milchkühe …

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… mit viel Licht, Luft und Bewegungsmöglichkeiten.

Rundum-Service für den Herdennachwuchs

Im Milchtaxi sind circa 150 Liter frisch gemolkene Milch, die für eine bessere Verwertung etwas angesäuert wird. Direkt über die Nuckeleimer oder die „Sechser-Milchbar“ wird die Milch an die älteren, in Kleingruppen gehaltenen Kälber verfüttert. Zur morgendlichen und abendlichen Routine gehören ebenso die Säuberung der Tränken, die Kontrolle und gegebenenfalls Ergänzung der Einstreu und, wenn nötig, die Ergänzung von Luzerneheu und Kälberkraftfutter. Beides wird schon frühzeitig als Ergänzung zur Milch angeboten, um die Entwicklung des Verdauungstrakts zu stimulieren.

Rund 45 Köpfe umfasst der Herdennachwuchs im Durchschnitt und der will täglich angemessen versorgt sein. Da hilft natürlich das Milchtaxi mit seinem Elektroantrieb.

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Frühzeitige Ergänzung zur Milch: Hochwertiges Luzerneheu.

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Zweimal täglich: Das Milchtaxi kommt.

Hightech plus Mensch

Das Milchtaxi ist beileibe nicht die einzige moderne Stalltechnik, die bei den Berbeckers zum Einsatz kommt. Seit Abschluss des Stallneubaus leisten die Transponder mit Brunsterkennung am Hals der Kühe, der automatische Futterschieber und insbesondere die vier Melkroboter ihren täglichen Dienst: Und das bedeutet eben nicht das früher übliche Melken morgens und abends „nach Stundenplan“. Im Gegenteil: Im Durchschnitt 2,8 bis 2,9-mal wird jede Kuh täglich gemolken, weil sie freiwillig zum Melkroboter geht. Dort bekommt sie dann zusätzlich zum Grundfutter noch einen Teil „Leckerlis“. Deshalb schauen die Kühe auch weitere 2,5 bis 3 Mal am Melkroboter vorbei, werden dort aber über den Transponder erkannt und von dem System wegen zu kurzer Zwischenmelkzeit abgewiesen.

Für Doris und Ernst Berbecker bedeutet der unermüdliche Einsatz der Melkroboter natürlich eine deutliche Arbeitserleichterung. „Auch unsere Kühe kommen mit dem Roboter hervorragend zurecht und nehmen das Angebot deutlich häufiger an, als wir das vor dem Umbau mit zwei festen Melkzeiten am Tag ermöglichen konnten. Und natürlich haben wir so Freiräume gewonnen. Zusätzlich können wir jetzt auf eine Vielzahl von Parametern zurückgreifen, die automatisch erhoben und für jede Kuh und jeden Melkvorgang in dem System ausgewertet und gespeichert werden. Trotz aller Begeisterung für diese moderne Technik ist für uns aber klar: Mensch ohne Technik im Stall geht, aber Technik ohne Mensch im Stall geht nicht. Die Tierbeobachtung ist das A und O“, fasst Doris Berbecker das Urteil der Familie zur Rolle der technischen Errungenschaften zusammen.

Die Familie sieht die Technik auf dem Betrieb deshalb als ein effektives Hilfsmittel. Wie in allen anderen Wirtschaftsbereichen, so sind die Berbeckers überzeugt, lassen sich die Technisierung und die Digitalisierung in der Landwirtschaft auch weder aufhalten, noch wäre ein solches Aufhalten wünschenswert. „Mit allen betrieblichen Entwicklungen“, so erzählt Doris Berbecker auf dem Rundgang durch den Stall und den „Kindergarten“ mit den Kälberiglus, „haben sich auch die Haltungs- und Lebensbedingungen für die Milchkühe und ihren Nachwuchs verbessert. Seitdem wir die Kälber ab dem zweiten Lebenstag in den Iglus und nicht mehr im Stall aufziehen, sind die Tiere beispielsweise deutlich robuster, gesünder und entwickeln sich besser. Und je gesünder und vitaler sie in der Jugendphase sind, desto gesünder sind sie auch als Kuh.“

Gleiches gilt für die Klimatisierung, das Platzangebot, den reichlichen Lichteinfall und die freien Bewegungsmöglichkeiten für die Kühe in dem Boxenlaufstall. Zusammen mit der Erfassung und Verarbeitung der Daten beim Melken – und dem täglichen wachsamen Auge von Ernst Berbecker – biete der Betrieb heute eindeutig viel mehr Tierwohl, als das früher möglich gewesen sei, sind die Berbeckers überzeugt.

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Einpflege der neu geborenen Kälber in die EDV …

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… und Auswertung der Datenflut: Hightech funktioniert nur im Zusammenspiel mit dem Menschen.

15-jährige Karla ist die leistungsfähigste Milchkuh im Betrieb

Karla, die 15-jährige Schwarzbunte mit der Nummer 510, ist mit einer bisherigen Lebensleistung von rund 130.000 kg Milch der aktuelle „Milchchampion“ der Berbeckers, auf den die Familie sehr stolz ist. Etliche weitere Kühe stehen ebenfalls kurz vor dem Erreichen der 100.000 kg und sind damit deutlich älter als der Rest, der nach einer durchschnittlichen Lebensleistung von rund 40.000 kg die Herde verlässt und durch die eigene Nachzucht ersetzt wird. „Mein Mann kennt jede einzelne Kuh auf unserem Betrieb und Tiere wie unsere Karla sind für uns viel mehr als ein ‚Nutztier‘; das sind für uns Lebensabschnittsgefährten, die uns und unsere Arbeit Tag für Tag von morgens bis abends begleiten“, schildert Doris Berbecker das Verhältnis der Familie zu ihren Milchkühen.

Aus dem, wie sie über den Betrieb, die Familie und die Tiere spricht, klingt eines deutlich durch: Wertschätzung für das Tier, Verantwortung für Mensch, Tier und Umwelt, und das Bewusstsein, weniger einen Beruf als eine Berufung zu haben. Sorgen macht der Familie allerdings der Milchpreis der vergangenen zwei Jahre. „Es ist hart, wenn man kaum noch kostendeckende Preise bekommt, wünschenswerte Investitionen zurückstellen muss, und mit unseren hohen Tierschutz- und Umweltstandards trotzdem im globalen Wettbewerb bestehen soll. Es läuft wohl alles darauf hinaus, dass der Strukturwandel weitergeht. In der Konsequenz werden die Betriebsgrößen in manchen Regionen weiter wachsen, während sich die Milchviehhaltung aus anderen Regionen zurückzieht. Und damit geht dort ein Stück weit auch die Landschaftskultur verloren“, bedauert Ernst Berbecker.

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Doris und Ernst Berbecker mit Karla, dem klaren Milchchampion auf dem Betrieb, mit bisher 130.000 kg Lebensleistung!

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Von der vierten Lebenswoche bis etwa zum sechsten Monat: WG für den Nachwuchs.

Im Dialog

Zum Ende des Betriebsbesuchs machen Doris und Ernst Berbecker noch deutlich, dass die Technik im Stall auch noch einen ganz anderen Aspekt hat: „Wir haben häufiger Besuchergruppen und diese Art der Kommunikation ist aus unserer Sicht für die Branche außerordentlich wichtig. Dabei erleben wir immer wieder, welche Faszination von der modernen Technik im Stall ausgeht – wenn wir erklären, welche Rolle das Tierwohl und der aufmerksame, mit Verantwortung handelnde Tierhalter dabei spielen. Wir freuen uns über dieses Interesse und wir freuen uns über die gesellschaftliche Akzeptanz und die Wertschätzung für unsere Arbeit, die wir auf diesem Weg erreichen können.“

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