9. Dezember 2016

Ich bin Milchbäuerin und liebe meinen Beruf

Die Milchwirtschaft ist ganz und gar nicht mehr eine reine Männerdomäne

Kristina Schmalor (30 Jahre) hat das Studium der ökologischen Agrarwissenschaften absolviert. Gemeinsam mit ihrem Vater, Johannes Schmalor, führt sie einen Milchviehbetrieb in Sundern-Hagen im Sauerland. Täglich kümmern sich die beiden um 75 Milchkühe und 35 Nachzuchtkühe sowie um 65 Hektar Grünland. Ausschlaggebend für ihre Berufswahl war der Spaß an der Arbeit mit Kühen. Der Job bringe große Herausforderungen mit sich, da jedes Tier und jeder Tag anders seien. Besonders schätzt Kristina es, immer ‚ihr eigener Chef‘ zu sein. Sie plädiert dafür, dass sich mehr junge Frauen trauen sollten, Führungspositionen auf Milchviehhöfen einzunehmen. Das beste Beispiel dafür, dass ‚Frau‘ das auch kann, ist Kristina selbst.

Frau Schmalor – Sie sind Milchbäuerin mit Leib und Seele; was braucht es für den Job?

„Die große Herausforderung liegt in der Vielseitigkeit des Jobs. Um erfolgreich zu sein, braucht man Wissen in vielen verschiedenen Bereichen. Und auch die Arbeitszeiten: Ich arbeite sieben Tage die Woche, an Weihnachten und an allen anderen Feiertagen. Der Job hat also auch unschöne Seiten, ich wüsste aber trotzdem nichts, was ich gerade lieber beruflich machen würde.“

Stoßen Sie manchmal auf Vorurteile?

„In der Familie und im Freundeskreis wird meine Arbeit akzeptiert und ist kein Thema. Vorurteile begegnen einem manchmal von der älteren Generation, bei der eine Frau als Chefin eines Hofes im Weltbild teilweise noch nicht ganz angekommen ist. Auch hört man manchmal Sätze wie: ‚Du hast das studiert? Ich wusste gar nicht, dass Landwirt ein Beruf ist, den man studieren kann!‘ Irgendwie ist da immer noch das Image, dass Landwirt ein Job ist, den jeder ohne besonderes Wissen mal eben so machen kann. Zudem sind da manchmal sehr lustige Situationen, die zeigen, dass das Image eines Landwirtes teilweise sehr ‚verstaubt‘ ist. Dazu gehört zum Beispiel, wenn man gestylt auf eine Party geht und dann hört: ‚Wie du bist Landwirtin? Das glaube ich nicht, du siehst gar nicht so aus.‘

Manchmal kommt es vor, dass Vertreter von Firmen auf den Hof kommen und mich mit den Worten begrüßen: ‚Ist der Chef auch da?‘. Teilweise merke ich, dass mein Vater ernster genommen wird als ich als Chefin. Diese Firmen muss man halt einfach aus seinen Geschäftskontakten entfernen.“

Das klingt sehr selbstbewusst und als würden Sie Werbung machen… Sollten sich mehr junge Frauen trauen, diesen Beruf zu wählen? „Auf jeden Fall sollten sich junge Frauen trauen! Der Beruf ist so wahnsinnig vielseitig und bietet so viele Chancen. Frauen und Männer haben halt unterschiedliche Stärken und Schwächen, was sie als Chef auf einem Betrieb nicht besser oder schlechter macht, sondern einfach nur anders.“

Stichwort Milchpreise: Wie gehen Sie mit der aktuell sehr schwierigen Situation um?

„Ich denke nicht, dass es hilft, viel über den Preis zu jammern. Jede Wirtschaftsbranche muss mit den einfachen betriebswirtschaftlichen Grundlagen leben. Warum sollte das in der Milchbranche anders sein? Das Problem ist vielleicht einfach nur, dass wir durch die Quote ein paar Jahrzehnte diese Gesetze ausgehebelt haben und dieses Gleichgewicht jetzt erst wiederhergestellt werden muss.“

foto-kristina-schmalorViele Fragen in der Debatte um die Zukunft der Milchwirtschaft drehen sich um die Tierhaltung…

Das ist ja auch ein wahnsinnig wichtiges Thema. Ich glaube, wir können uns gar nicht oft genug selbst daran erinnern, dass wir mit Lebewesen arbeiten. Ich wünsche mir, dass Verbraucher nicht nur davon reden, dass sie Produkte aus besonders artgerechter Haltung haben möchten, sondern dass sie auch anfangen, bewusst einzukaufen. Ich möchte meinen Tieren gerne viel Platz und möglichst viel Tierwohl bieten, aber es muss halt auch bezahlt werden.

 Und die Politik? Wie sehen Sie deren Bedeutung für die Entwicklung einer modernen und zukunftsorientierten Landwirtschaft?

„Generell ist es in Ordnung, wenn die Politik kritisch gegenüber der Landwirtschaft ist. Aber für eine gute Zusammenarbeit braucht es noch ein paar weitere Grundlagen: Praxisnähe, zum Beispiel. Leider kommt es viel zu oft vor, dass Politiker sich mit Agrarpolitik beschäftigen, die in diesem Bereich keine Ausbildung haben. Das Ergebnis sind dann Richtlinien, die am Schreibtisch geschrieben wurden, und Gesetze, die in ihren Zielen gut gemeint sein mögen, in der Praxis aber nicht funktionieren.

Zum anderen sind Augenmaß und Verlässlichkeit wichtig: Viele Investitionen sind teuer und rentieren sich nur bei dementsprechend langer Nutzung. Da kann es nicht sein, dass in manchen Bereichen mit jedem Regierungswechsel neue Forderungen auf den Tisch kommen.

Nicht zuletzt erwarte ich konsequentes Handeln: Ich akzeptiere bestimmte Anforderungen im Tier- oder Umweltschutz. Womit ich nicht umgehen kann ist, wenn dadurch die Produktion für uns teuer wird und der Verbraucher sich am Ende doch für die billigere Konkurrenz aus dem Ausland entscheidet. Und nicht zuletzt Vertrauen: Dieser Drang danach, alles kontrollieren zu wollen und alles über Aufzeichnungen kontrollierbar zu machen, macht den Job leider wirklich schwerer, dadurch wird kein Euro mehr verdient und es geht dem Landwirt wertvolle Zeit verloren, die er sonst für seine Tiere nutzen könnte.“

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

„Einen kritischen Kunden, der bewusst einkauft. Auch wünsche ich mir Wertschätzung für den Job und die Lebensmittel. Für ein Glas Milch zum Frühstück arbeiten Menschen in der Landwirtschaft 365 Tage im Jahr sehr hart. Tiere und Natur stellen uns Lebensmittel zur Verfügung. Daran dürfte ein Verbraucher sich auch ruhig hin und wieder mal erinnern und vielleicht zumindest im Stillen ein bisschen Respekt dem Produkt gegenüber zeigen und dankbar dafür sein, dass wir in einer Gesellschaft des Überflusses leben, wo es selbstverständlich ist, dass diese Produkte immer verfügbar sind. Vor allem aber wünsche ich mir, mich in meinem Job weiter verwirklichen zu können.“