22. Dezember 2016

Internationaler Klimaschutz

Ein knappes Jahr nach Vereinbarung des historischen Klimavertrags von Paris haben sich im November die Vertreter der 195 unterzeichnenden Staaten in Marrakesch wieder getroffen, um über die Umsetzung des Abkommens zu verhandeln. Die Erderwärmung, so sieht es die im Dezember 2015 in Paris geschlossene Vereinbarung vor, soll auf „deutlich weniger als 2°Celsius“ (im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter) begrenzt werden; möglichst auf weniger als 1,5° Celsius. Damit wurde erstmals ein Klimaabkommen erreicht, das klar definierte Ziele und Grundlagen hat, um den Ausstoß von Treibhausgasen (THG) deutlich zu reduzieren und den Klimawandel nachhaltig zu bekämpfen.

Die Wissenschaftler des Weltklimarats gehen davon aus, dass die Einhaltung dieses „<2°C-Limits“ die Menschheit vor den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels bewahren kann. Entsprechend orientieren sich auch Deutschland und die EU an seinen Vorgaben: bis 2050 sollen die THG-Emissionen um 80 bis 95 % reduziert werden. Was noch fehlt, sind konkrete Maßnahmen und Zeitpläne. Beschlüsse Marrakesch 2016

Wichtigstes Ergebnis der Konferenz von Marrakesch war der Beschluss, dass alle beteiligten Staaten ihre Maßnahmen und Fortschritte bis 2018 offenlegen und an Plänen messen lassen müssen.

Bis 2018 außerdem Regeln und Umrechnungsformeln vereinbart werden, um die Klimaschutzpläne der einzelnen Länder besser – und gerechter – miteinander vergleichen zu können. Denn die Bereiche, in denen THG hauptsächlich entstehen, variieren von Land zu Land, und auch die Zeiträume der Verringerung des Ausstoßes sind von Staat zu Staat verschieden, so dass direkte Vergleiche und Bewertungen nach wie vor schwierig sind.

Von UNclimatechange from Bonn, Germany - Marshall Islands: Coalition of High Ambition, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47776793
Von UNclimatechange from Bonn, Germany – Marshall Islands: Coalition of High Ambition, CC BY 2.0, http://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47776793

Neuer Klimaschutzplan 2050

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat in Marrakesch den deutschen Klimaschutzplan präsentiert. Dieser legt fest, wie viel klimaschädliche THG einzelne Sektoren wie Landwirtschaft, Verkehr oder Energieerzeugung einsparen müssen, damit Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts annähernd klimaneutral wird. Die erste Zielmarke auf dem Weg dahin ist das Jahr 2030. Der vorgelegte Plan sei, so Hendricks, kein Gesetz. Er solle vielmehr Orientierung für strategische Entscheidungen bieten. Die Verabschiedung des deutschen Klimaschutzplans wurde international als wichtiges Zeichen gesehen und von den Konferenzteilnehmern sehr positiv aufgenommen.

Klimaschutz in der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft ist in besonderer Weise vom Klimawandel betroffen. Auch sie muss ihre Bemühungen zur Minderung von THG-Emissionen am global vereinbarten <2°C-Limit ausrichten, um einen angemessenen Beitrag zur Bewältigung der globalen Herausforderung zu leisten. Deutschlandweit beträgt der Anteil der Landwirtschaft an den THG-Emissionen rund 8 %. Gemäß dem Zwischenziel für 2030 müssen die THG-Emissionen der Landwirtschaft um 15 % reduziert werden. Die deutsche Klimastrategie sieht daher vor, künftig weniger Stickstoffdünger einzusetzen, Ammoniakemissionen zu reduzieren und den Ökolandbau auf ein Fünftel der bewirtschafteten Fläche auszudehnen. Außerdem soll Wirtschaftsdünger aus der Tierhaltung bald verstärkt zur Biogaserzeugung genutzt werden. Klimaschutz in der Milchwirtschaft

Neben Emissionen aus dem Düngemittelmanagement, vor allem Lachgas, sowie Emissionen, die durch den Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen entstehen, ist ein hoher Anteil an den THG-Emissionen auf die Produktion tierischer Nahrungsmittel zurückzuführen. Von den 8 % THG-Emissionen sind über 1/3 Methan-Emissionen aus der Verdauung, für die wiederum fast ausschließlich die Rinder verantwortlich sind. Laut Ansgar Lasar, Klimabeauftragter der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, sei diese Betrachtungsweise allerdings nicht zielführend. „In der Diskussion wird oft vergessen, dass die Kuh nicht nur Milch liefert, sondern zusätzlich wertvollen Pflanzendünger erzeugt, jährlich ein Kalb zur Welt bringt und zur Deckung des Fleischkonsums beiträgt. Damit sind die THG-Emissionen nicht nur der Milch zuzurechnen, sondern auf mehrere Produkte aufzuteilen. Kühe verursachen zwar vergleichsweise viel Methan, dafür fressen sie aber Raufutter und tragen zum Grünlanderhalt bei.“ Dennoch, so Lasar, „sollten Milcherzeuger wissen, welche die wichtigsten Stellschrauben für eine klimaschonende Milcherzeugung sind und versuchen, klimaschonend zu erzeugen.“ Und: Viele Maßnahmen rechnen sich sogar. Interessierte können eine einzelbetriebliche Klimabilanz erstellen lassen. Das sei längst nicht so aufwendig, wie viele glauben, so Lasar.

Klimabilanz einer Milchkuh

Wie sieht die Klimabilanz einer Milchkuh aus? Antworten auf diese Frage gibt das Plakat „Elsas Klimabilanz“ der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Neben den Treibhausgasquellen werden auch die wichtigsten Merkmale für eine klimaschonende Milcherzeugung aufgeführt. Das Plakat unterstützt in dem Bemühen, mit weit verbreiteten Vorurteilen aufzuräumen. So sind zum Beispiel langlebige Kühe mit einer hohen Milchleistung besonders klimaschonend.

Plakat Elsas Klimabilanz

Klimaschonende und nachhaltige Milcherzeugung und -Verarbeitung

Die Deutsche Milchwirtschaft ist sehr aktiv in Sachen Klimaschutz und nachhaltiger Milcherzeugung – der CO2-Fußabdruck der Branche sinkt. Laut Marcin Preidl, Referent für Umwelt beim Milchindustrie-Verband (MIV), seien die gesamten landwirtschaftlichen THG-Emissionen, trotz Steigerung der Produktion, in den letzten 20 Jahren um etwa19 Prozent zurückgegangen.

Was ist der CO2-Fußabdruck?

Der CO2-Fußabdruck ist ein Maß für die von einer Person oder einem Produkt verursachten Treibhausgasemissionen. Dies sind alle gasförmigen Stoffe, für die der Weltklimarat IPCC ein Treibhauspotential definiert hat, vor allem CO2, Methan und Lachgas. In Abhängigkeit von ihrer Wirkung auf die Erderwärmung werden die Treibhausgasemissionen über Faktoren zum CO2 (Faktor 1) in Bezug gebracht und in Form von CO2-Äquivalenten ausgedrückt. Der CO2-Fußabdruck ist somit nicht nur der CO2-Ausstoß an sich, sondern der Ausstoß aller klimarelevanten Treibhausgase, umgerechnet auf den Wirkungsgrad von CO2.


Foto: LV der Milchwirtschaft Niedersachsen

Durch den Einsatz von Nachhaltigen Energien, wie z.B. Solarenergie oder Dungverwertung in Biogasanlagen, sowie durch den Einsatz energieeffizienter Melktechniken und die Durchführung regelmäßiger Energiechecks, werden klimaschädliche Emissionen eingespart. Auch die Energieeffizienz der Milchverarbeitung habe sich, so Preidl, deutlich verbessert: Der Energiebedarf pro Tonne angelieferter Milch habe sich in den letzten Jahren um rund16 Prozent verringert. Zudem wird im Rahmen der Initiative QM-Milch, einer Initiative des Deutschen Bauernverbandes, des Deutschen Raiffeisenverbandes und des MIV, intensiv an einem sogenannten „Nachhaltigkeitsmodul“ gearbeitet.

Tatsächlich ist das Bewusstsein für die Bedeutung von Nachhaltigkeitsprogrammen und eine konsequente Nachhaltigkeitsberichterstattung bei den Molkereien in Deutschland sehr ausgeprägt. Zwischen 80 und 90 Prozent der Molkereien in Deutschland haben Energiemanagementsysteme nach ISO 50001 implementiert; etwa 30 Prozent hat ein umfangreiches Umweltmanagementsystem nach ISO 14001. Damit gehört Deutschland, in den Augen von Experten, zur Spitze im internationalen Vergleich. Aber auch auf internationaler Ebene gibt es interessante Initiativen, beispielsweise das sogenannte „Dairy Sustainability Framework“ (DSF).

Wissenschaft und Forschung

Klimafreundliche Milcherzeugung gehört auch in der Forschung nicht erst seit Kurzem zu den Schwerpunkten. Bereits seit 2010 läuft im Landwirtschaftszentrum Haus Riswick in Nordrhein-Westfalen ein Projekt, das, in Kooperation mit der Universität Bonn, Messungen zu relevanten Klimagasen durchführt. Untersucht wird, unter anderem, wie klimaschädliche Methanbildung durch Rationsgestaltung, zum Beispiel zellwandreicher Futtermittel oder durch die Gabe von Futterzusatzstoffen, vermindert werden kann.

Die Wissenschaftler entwickeln zudem nährstoffangepasste Fütterungsstrategien, beispielsweise im Hinblick auf eine geringere Eiweiß- und damit Stickstoffversorgung bei Milchkühen, und neue Futterbewertungssysteme.

Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass bekotete Oberflächen etwa 50 % der Ammoniakemissionen aus dem Stall darstellen. Der Anteil der Emissionen aus der Güllelagerung unter dem Stall fällt deutlich geringer aus. Das Ziel trockener und kotfreier Stallböden steht damit an erster Stelle. Neben einer optimalen Lüftung spielt die Gestaltung der Oberfläche des Stallbodens eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang wird derzeit im Landwirtschaftszentrum Haus Düsse in Bad Sassendorf ein neuer, profilierter Spaltenboden getestet, der aufgrund seiner Oberflächengestaltung eine weitere Emissionsminderung verspricht.


Foto: LV der Milchwirtschaft Niedersachsen

Grenzen des landwirtschaftlichen Klimaschutzes

Die Erwartungen vieler Klima-Experten liegen jedoch viel höher – aus heutiger Sicht und gemessen am heutigen Wissen und technischen Stand sogar deutlich über der Grenze des Machbaren. „Die landwirtschaftlichen THG-Emissionen entstehen in biologischen Prozessen und können, im Gegensatz zu einigen Industrieprozessen, nicht auf null gesenkt werden“, meint Marcin Preidl. Ohne Methanausstoß gäbe es keine Milch. Auch werde oft „pauschal“ mit dem Abbau der Tierbestände und einem geringeren Verzehr von Fleisch und Milch argumentiert.

Das verschärfe jedoch, so der Umweltreferent des MIV, die Positionen in der Klimadebatte unnötig, stoße in der gesamten Branche auf Inakzeptanz und sei kontraproduktiv. Mittlerweile werde agrarpolitisch und umweltrechtlich an vielen „Stellschrauben“ gedreht, um die Milchwirtschaft noch klimafreundlicher zu gestalten. Das spüren sowohl die Landwirte als auch die Molkereien.

Fazit

Effiziente Milchwirtschaft und intensive Maßnahmen für mehr Klimaschutz sind kein Widerspruch. Vieles wird seitens der Landwirte und der Milchindustrie bereits unternommen und auch in Zukunft weiter vorangetrieben. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind und bleiben wichtige Faktoren in der Milcherzeugung und Milchverarbeitung in Deutschland.

Doch die Verbesserungspotentiale sind bereits stark ausgeschöpft. Das hat eine Gemeinschaftsstudie des MIV in Kooperation mit dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (IFEU) bestätigt.

Daher sind alle Akteure – sowohl Milcherzeuger als auch Verbraucher, Wissenschaftler und Politiker – und vor allem alle Wirtschaftssektoren – wie die Landwirtschaft, Industrie, Transport, Energieerzeugung, um nur einige zu nennen – gefordert, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und Klimaschutz und Nachhaltigkeit weiterhin klar in den Fokus zu rücken. Denn: Nur auf diese Weise lassen sich das auf der Pariser Klimakonferenz vereinbarte „<2°C-Limit“ einhalten und die schlimmsten Folgen des globalen Klimawandels aufhalten.