20. Juni 2016

Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung – Richtiger Schritt oder das Ende für viele Kleinbetriebe?

 

Die Anbindehaltung von Rindern ist in Deutschland hauptsächlich noch in den südlichen Bundesländern vorzufinden. Besonders bei kleineren Betrieben und im Bergegebiet in Süddeutschland ist die Anbindehaltung aufgrund der niedrigeren Bestandsgrößen noch häufiger anzutreffen.

Der Bundesrat hat sich am 22.4.2016 in einem Entschließungsantrag für ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung bei Rindern mit einer Übergangsfrist von 12 Jahren ausgesprochen. Die Entschließung wird nun der Bundesregierung zugeleitet, die sich in den kommenden Wochen mit ihr befassen wird.

 

Rückgang der Anbindehaltung

Insgesamt werden in Deutschland mittlerweile fast drei Viertel der Rinder in Laufställen gehalten. Dort können sich die Milchkühe bewegen und ihrem natürlichen Herdenverhalten nachgehen. Das restliche Viertel der Milchkühe in Deutschland wird überwiegend in kleinstrukturierten Regionen in Süddeutschland in Anbindehaltung gehalten. Aufgrund des Generationenwechsels und des Strukturwandels geht der Deutsche Bauernverband davon aus, dass sich die Anzahl der Anbindehaltungen noch weiter reduzieren wird und in einigen Jahrzehnten keine Rolle mehr spielen wird. Bereits in den letzten 15 Jahren hat sich die Anzahl der Anbindehaltungen in den Betrieben, die an der Milchleistungsprüfung teilnehmen, um rund 75 Prozent reduziert.

Anbindehaltung beeinträchtigt die Tiergesundheit

Der Bundesrat stellte bei der Entschließung zum Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern fest, dass im Sinne des § 2 des Tierschutzgesetzes die ganzjährige Anbindehaltung kein tiergerechtes Haltungssystem mehr darstellt und sah dafür ein gesetzliches Verbot für erforderlich. In seiner Begründung kommt der Bundesrat zu dem Schluss, dass die dauerhafte Anbindung von Rindern keine Möglichkeit zur Fortbewegung erlaube sowie das Abliegen und Aufstehen aufgrund der Fixierung und des geringen Platzangebots erschwert würden. Außerdem würden Grundbedürfnisse der Tiere wie z.B. das Komfortverhalten, das Erkundungsverhalten oder auch das Sozialverhalten entweder verhindert oder gänzlich eingeschränkt. Besonders bei der Betrachtung der Tiergesundheit würde sich deutlich zeigen, dass bei Tieren im Laufstall deutlich weniger Krankheiten auftreten.

Kleine Betriebe vor dem Aus

 In Bayern, wo kleinere Betriebe mit einer durchschnittlichen Tierzahl von 27 Kühen ihre Tiere in Anbindehaltungssystemen halten, wurde das Verbot der Anbindehaltung heftig kritisiert. Horst Arnold, agrarpolitischer Sprecher der SPD in Bayern hat bereits vor dem Beschluss vor einem Verbot der Anbindehaltung von Rindern gewarnt. Laut Arnold sei diese traditionelle Art der Rinderhaltung, bei der die Kühe überwiegend in Boxen in den Ställen untergebracht sind, ein „Lebenselement der bayerischen Landwirtschaft.“

Das Verbot der Anbindehaltung sei vor allem für kleine Betriebe eine große Gefahr, da diese sich kaum die notwendigen Investitionen leisten könnten und stattdessen nach Ablauf der Übergangsfrist ihre Höfe eher aufgeben würden, so Arnold. In den südlichen Bundesländern weist die Landwirtschaft eine häufig kleinteiligere Struktur als im bundesweiten Durchschnitt auf. Die Höfe sind kleiner und einige der Ställe liegen häufig noch mitten im Dorf, wo es keinen Platz für große Laufställe gibt.

Statt des nun beschlossenen Verbots hätte deutschlandweit ein „langsamer Strukturwandel“ herbeigeführt werden sollen. Das bayerische Landwirtschaftsministerium unterstützt diesen bereits durch eine Sonderförderung. Bayerische Bauern, die ihre Ställe von der Anbindehaltung in Laufställe umwandeln, erhalten einen um fünf Prozent erhöhten Fördersatz, während Ställe mit reiner Anbindehaltung keinerlei Zuschüsse mehr bekommen.

Wichtiger Schritt zu mehr Tierwohl

Im Gegensatz zu Bayern sieht die hessische Landwirtschaftsministerin Priska Hinz von den Grünen den Beschluss zum Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung als „wichtigen Schritt zu mehr Tierwohl in der Landwirtschaft an.“ Laut Hinz entspreche die Anbindehaltung nicht mehr den heutigen Standards, die an das Tierwohl in der Landwirtschaft gelegt würden. So sei es für eine tiergerechte Haltung von Rindern erforderlich, dass den Tieren genügend Bewegungsraum geboten werde, was bei einer Anbindung kaum möglich ist, da sogar das Abliegen und Aufstehen der Tiere beeinträchtigt werde. Durch die Übergangsfrist würde auch die wirtschaftliche Situation und Herausforderungen der Rinder- und Milchvieh haltenden Betriebe anerkannt werden, so dass die kleinen und familiengeführten Betriebe genügen Zeit hätten, die notwendigen Änderungen und Entwicklungen durchzuführen, so Hinz.

Hessen hatte letztes Jahr einen Runden Tisch zum Thema Tierwohl und nachhaltiger Landwirtschaft eingerichtet, der sich im Laufe des letzten Jahres intensiv mit diesem Thema befasst hatte und die hessische Bundesratsinitiative unter Ministerin Priska Hinz einstimmig unterstützt. Neben verschiedenen landwirtschaftlichen Verbänden, wie dem Hessischen Bauernverband, waren auch tierärztliche Verbände und Tierschutzorganisationen Teil des Runden Tischs.

Höhere Erzeugerpreise und staatliche Hilfen nötig

Obwohl der Bundesrat die Umstellung von der Anbinde- auf die Laufstallhaltung mit einer Übergangsfrist von 12 Jahren beschlossen hat, werden viele Milchviehbetriebe diesen erheblichen Entwicklungsschritt aufgrund des aktuell niedrigen Milchpreises ohne staatliche Hilfen nicht bezahlen können. So glaubt der byerische Bauernverband nicht daran, dass kleine und familiengeführte Betriebe innerhalb der Übergangsfrist von 12 Jahren aufgrund der aktuell niedrigen Milchpreise in der Lage sind, den Entwicklungsschritt von Anbinde- zu Laufstallhaltung zu vollziehen. Der Deutsche Bauernverband fordert deshalb auch eine kontinuierliche Erhöhung der Erzeugerpreise. Auch wenn sich die deutschen Milchbauern bisher den gesellschaftspolitischen Anforderungen und der Debatte zum Tierwohl stellen, kann die Umsetzung von Maßnahmen nur gelingen, wenn letztlich auch das Preisniveau steigt – andernfalls wird sich die Milcherzeugung verstärkt ins Ausland verlagern und wird den Zielen eines hohen Tierschutzniveaus wie es in Deutschland bereits durchgesetzt wird, nicht gerecht werden, so der DBV.

DIALOG MILCH bereitet Themenwoche „Anbindehaltung“ vor

Im Zuge des Verbots der Anbindehaltung und der teils heftigen Diskussionen um eben diese in Deutschland, nimmt sich DIALOG MILCH in den nächsten zwei Wochen dieses Themas an und wird auf seiner Website unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen lassen.