Die Gründe für die Betriebsaufgaben sind vielfältig: Einerseits ist die ökonomische Lage im nunmehr dritten Dürrejahr für viele Betriebe mehr als kritisch, andererseits übersteigt der zum Teil sehr hohe Investitionsbedarf für neue Stallungen, Maschinen und moderne, umweltschonende Technologien vielfach den finanziellen Spielraum der Betriebe. Darauf weist ein ausführlicher Bericht vom 17. August 2020 bei agrarheute hin. Auch die Corona-Krise trägt danach mit schwankendem Absatz, schlechten Preisen und unsicheren Zukunftsaussichten zu dem massiven Höfesterben bei.
Kleine und größere Betriebe betroffen
„Die Folgen der aktuellen Agrarpolitik und der gesellschaftlichen Diskussionen zeigen Wirkung: Die Zahl der Tierhalter nimmt dramatisch ab“, so heißt es in dem Beitrag. Dies werde durch die Ergebnisse der letzten Viehzählung und der parallel ermittelten Zahl der tierhaltenden Betriebe vom Mai dieses Jahres bestätigt. Jedes Jahr machten tausende Höfe ihre Tore dicht. Dabei sei eine Gruppe ganz besonders von dieser Entwicklung betroffen: die kleinen Bauernhöfe und Nebenerwerbsbetriebe. Aber auch größere Betriebe blieben in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation inzwischen von dem Höfesterben nicht mehr verschont. Rund ein Drittel der 2011 noch in Deutschland bestehenden Milchviehbetriebe haben seither die Hoftore für immer geschlossen.
Die Entwicklung geht gesellschaftlich – und agrarpolitisch – nicht nur in die falsche Richtung, sondern beschleunigt sich sogar weiter. Die Zahl der Milchviehbetriebe habe im Herbst 2019 deutschlandweit erstmals unter 60.000 gelegen und die Abnahmerate habe sich im Mai 2020 auf knapp 3 Prozent beschleunigt, berichtet agrarheute und verweist zugleich darauf, dass zukünftig ein Verbot der vor allem im Süden Deutschlands noch recht verbreiteten Anbindehaltung Zahl und Geschwindigkeit der Betriebsaufgaben nochmals verstärken könnte.
Der Osten Deutschlands stark betroffen
Wie agrarheute berichtet, ist die Zahl der Milchbauern im Mai 2020 mit minus 5,5 Prozent in Thüringen und minus 4,6 Prozent in Brandenburg in den östlichen Bundesländern am stärksten zurückgegangen, aber auch in Rheinland-Pfalz (minus 4 Prozent) und Hessen (knapp minus 4 Prozent) sehr deutlich rückläufig gewesen. Demgegenüber sei der Rückgang „in den Hochburgen der deutschen Milchproduktion – im kleinstrukturierten Bayern und in Niedersachsen“ im Mai mit 2,5 Prozent bzw. 2,1 Prozent unterdurchschnittlich ausgefallen.
Nach Einschätzung von Karsten Schmal, selbst Milchbauer in Hessen und u. a. Vorsitzender des Fachausschusses Milch beim Deutschen Bauernverband, ist die ökonomische Lage für viele Milchbauern kritisch. „Viele Betriebe mit 80 oder 100 Milchkühen, von denen wir gedacht haben, dass sie eine Zukunft haben, gehen den Weg nicht mehr mit“, wird Schmal zitiert. Ein Grund sei die zunehmende Verschärfung der Dünge- und Umweltregeln, für die viele Betriebe neue Lagerstätten oder neue Güllebehälter bauen müssten. „Diese Bauern sagen jedoch, wenn das so kommt, dann steige ich lieber aus“, so Schmal.
Mit den Höfen stirbt der ländliche Raum
Die Konsequenzen des Höfesterbens sind für die ländlichen Räume dramatisch: Schon heute ist die Bevölkerungsdichte in manchen Regionen – gerade im Osten Deutschlands – so gering, dass die gesellschaftliche Infrastruktur mit Ärzten, Apotheken und Geschäften für den täglichen Bedarf nicht mehr gewährleistet ist. Kindergärten und Schulen „lohnen“ für die wenigen verbleibenden Kinder nicht mehr. Die so hoch geschätzte regionale Versorgung wird zunehmend schwieriger, und auch soziale Dienstleistungen wie die Mitwirkung bei der Freiwilligen Feuerwehr oder die Übernahme von Winterdiensten brechen in dem Maß weg, in dem Betriebe dort aufgeben. Das, was dort insbesondere an tierischen Produkten erzeugt wurde, muss nun woanders – auf den verbleibenden (großen) Betrieben oder sogar im Ausland – produziert werden. So schön das Leitbild vom bäuerlichen Familienbetrieb auch sein mag – die Realität auf den Betrieben, die aufgeben müssen, ist eine andere – und oft sehr schmerzhaft für die Betroffenen.
Es steht zu befürchten, dass gerade auch in den Corona- und Nach-Corona-Zeiten auf den Betrieben vielfach nicht das Einkommen erzielt werden kann, das zum Überleben reichen würde. Während im Einzelhandel bereits die nächsten Preisschlachten geplant und seitens der Agrarpolitik u. a. mit der Düngeverordnung weitere Hürden aufgebaut werden, sterben die Höfe im Land weiter.