Nach einer längeren Phase, in der die Erzeugerpreise kaum die Kosten der Milchbauern gedeckt haben, ist der Auszahlungspreis für Milch 2021–2022 deutlich gestiegen. Aktuell sinken die Erzeugerpreise jedoch rasant. DIALOG MILCH hat recherchiert, was das für Milcherzeuger und Verbraucher bedeutet.
Der sogenannte Auszahlungspreis, den Milcherzeuger in Deutschland von ihren Molkereien bekommen, schwankt. Er wird insbesondere von Angebot und Nachfrage auf dem Milchmarkt bestimmt. Gewisse Zu- oder Abschläge erfolgen u. a. in Abhängigkeit von dem Fett- und Eiweißgehalt pro kg Milch. Zudem gibt es in Deutschland zunehmend Programme für bestimmte Haltungsformen oder Nachhaltigkeitsaspekte, bei denen Zusatzanforderungen, die über einen gewissen Standard hinausgehen, mit Zusatzaufschlägen versehen werden. Da rund 50 Prozent der in Deutschland erzeugten Milch bzw. Milchprodukte in den Export gehen, hat auch der Weltmarktpreis großen Einfluss auf das Einkommen der Milcherzeuger.
Das Prinzip von Angebot und Nachfrage
Hinter der Preisentwicklung auf dem Milchmarkt steckt ein im Prinzip einfacher Mechanismus: Steigende Preise für Milchprodukte führen einerseits zu sinkender Nachfrage. Andererseits macht der höhere Preis die Erzeugung von Milch für die Landwirte wirtschaftlich interessant – und fördert so eine höhere Produktion[1]. Das in der Folge höhere Angebot drückt dann wieder auf den Markt und führt zu sinkenden Preisen – wodurch dann der Absatz wieder ansteigt.
Grafik Ife Rohstoffwert: © ife-Institut
Wie entwickelt sich der Milchpreis in Deutschland?
Die täglich, wöchentlich bzw. monatlich berechneten ife Rohstoffwerte stellen Bewertungen des Rohstoffs Milch dar und dienen als Frühindikatoren für Preisentwicklungen auf dem Milchmarkt in Deutschland und Europa. Sie werden auf Basis von Produktpreisen verschiedener Milchprodukte ermittelt. Je nach Rohstoffwert gehen öffentliche Notierungen, eigene Preismeldungen oder Kurse an der Milchterminbörse in Leipzig (EEX) in die Kalkulationen ein.
Was bedeutet das für die Verbraucher?
Jeder freut sich beim Haushalts-Einkauf zunächst über sinkende Lebensmittelpreise. Die wegen der hohen Inflation und steigender Energie- und Heizkosten bereits arg gebeutelten Verbraucher haben auch bei Milch und Milchprodukten wie etwa Butter und Käse 2022 die deutlich gestiegenen Preise zu spüren bekommen. Jetzt können sie vom gegenläufigen Trend profitieren: Im Europäischen Großhandel seien die Preise für Käse seit Jahresbeginn um über 20 Prozent gefallen, und auch die Butter- und Milchpulverpreise hätten im gleichen Zeitraum um knapp 20 Prozent verloren.[3]
Vorerst weiter mit sinkenden Preisen zu rechnen
Das bedeutet aber auch: In den nächsten Wochen sei mit weiterhin sinkenden Auszahlungspreisen für die Milchbauern zu rechnen. Die Verbraucher/Innen könnten nun auf die bereits einsetzenden niedrigeren Produktpreise reagieren – so sei die 250-Gramm-Packung Butter im März mit durchschnittlichen 1,49 Euro bereits um rund 35 Prozent niedriger angeboten worden als noch im November 2022, als hier der Höchststand der Verbraucherpreise erreicht wurde.[1] Die aus Verbrauchersicht erfreuliche Entwicklung dürfte sich kurzfristig wohl erst einmal weiter fortsetzen und mittelfristig in eine Preisbefestigung auf deutlich niedrigerem Niveau münden.
Was bedeutet das für die Milchbauern und den ländlichen Raum?
Allerdings gilt auch: Was die Konsumenten entlastet und freut, sehen die davon lebenden Milcherzeuger mit großer Sorge … Denn nicht kostendeckende Milchpreise über einen längeren Zeitraum werden wohl erneut Betriebe zum Ausstieg aus der Milchkuhhaltung oder sogar zur Aufgabe zwingen. Diese Entwicklung trifft ganz unmittelbar den ländlichen Raum und beschleunigt dort den Strukturwandel – und betrifft damit auch die (dort lebenden) Verbraucher.
Fazit: Eine Entlastung der Verbraucher ist gut und tut not. Wenn dies aber zu Lasten der regionalen Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln erfolgt, ist das schon kurz- bis mittelfristig eine sehr bedenkliche Entwicklung. In Relation zu u. a. den Kostensteigerungen für Mobilität, Reisen, Energie und Wohnraum, tragen die Preissteigerungen für Lebensmittel zudem vergleichsweise moderat zur Situation im Portemonnaie der Verbraucher bei. Preissteigerungen von einigen Cents bei Milch und Milchprodukten sind für viele Verbraucher in Relation zum Nettohaushaltseinkommen eher als gering zu betrachten.
Auf der anderen Seite tragen Preissteigerungen z. B. beim Käse und bei der Butter für Milcherzeuger/innen zu deutlichen Erlösverbesserungen bei und können so auch einen Beitrag zum Erhalt einer regionalen Lebensmittelsicherung leisten.
[1] https://milchindustrie.de/marktdaten/faqs-milchmarkt/
[2] Die täglich, wöchentlich bzw. monatlich berechneten ife Rohstoffwerte stellen Bewertungen des Rohstoffs Milch dar und dienen als Frühindikatoren für Preisentwicklungen auf dem Milchmarkt in Deutschland und Europa. Sie werden auf Basis von Produktpreisen verschiedener Milchprodukte ermittelt. Je nach Rohstoffwert gehen öffentliche Notierungen, eigene Preismeldungen oder Kurse an der Milchterminbörse in Leipzig (EEX) in die Kalkulationen ein. https://www.ife-kiel.de/ife-rohstoffwerte/
[3] https://www.agrarheute.com/markt/milch/milchpreise-freien-fall-neue-milchkrise-ansage-606346