Die Nutztierstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zielt auf die Verbesserung des Tierwohls und auf die Reduktion negativer Umweltauswirkungen, die mit der Tierhaltung verbunden sind, ab. Ein Element: Die Bundesinitiative „Ställe der Zukunft“. Im Rahmen dieser Initiative hat das Institut für Nutztierbiologie Dummerstorf kürzlich ein Innovationsnetzwerk für gesunde und „glückliche“ Kühe gestartet.
Moderne Ställe unterscheiden sich maßgeblich von dem, was noch in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts üblich war. Das gilt für Rinder-, Schweine- und Geflügelställe gleichermaßen. Aber: Auch wenn beispielsweise in der Milchkuhhaltung mit Außenklimaställen, Boxenlaufställen, Kuhbürsten, Auslaufflächen und moderner Melktechnik schon viele positive Entwicklungen umgesetzt wurden, ist mit Sicherheit noch „Luft nach oben“. Wie müssen die Haltungsbedingungen beschaffen sein, um Tierwohl im Stall noch weiter zu verbessern? Während klar ist, worauf die Forschung zur Gesundheit der Tiere abzielt, ist das mit einem Begriff wie „glücklich“ schon etwas schwieriger …
Mit Experimentierställen zur optimalen Gestaltung
Bei der Entwicklung von „Ställen der Zukunft“ sollen Experimentierställe als Modell für die praktische Tierhaltung dienen. Sie sollen auf die Sinneswahrnehmung und die physiologischen Bedürfnisse der Tiere ausgerichtet sein. Bei den Lösungen, die von dem Innovationsnetzwerk erarbeitet werden sollen, steht das Wohlbefinden der Tiere im Mittelpunkt: Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse soll dann in einem Folgeprojekt der Bau eines „Milchkuhstalls der Zukunft“‘ folgen.
Wie aber kann Tierwohl erfasst und bewertet werden? Die sogenannten „fünf Freiheiten“ bieten Ansatzpunkte, um praktische Gestaltungsvorschläge zu entwickeln. Dazu gehören:
- Freiheit von Hunger und Durst – die Tiere haben Zugang zu frischem Wasser und gesundem, nährstoffreichem Futter.
- Freiheit von haltungsbedingten Beschwerden – die Tiere werden artgerecht gehalten, zum Beispiel stehen ihnen adäquate Liegeflächen zur Verfügung.
- Freiheit von Schmerz, Verletzungen und Krankheiten – die Tiere werden durch schnelle Diagnose und Behandlung versorgt.
- Freiheit von Angst und Stress – durch Herden-Management werden Angst und Stress vermieden.
- Freiheit zum Ausleben normaler Verhaltensmuster – die Tiere können sich artgemäß verhalten, zum Beispiel durch ein ausreichendes Platzangebot.
Während die ersten vier Freiheiten im Wesentlichen darauf abzielen, Mängel und Leiden zu verhindern, scheint die fünfte Freiheit erste Hinweise darauf zu geben, was unter den „glücklichen“ Kühen zu verstehen sein könnte, von denen bei dem Forschungsvorhaben des Instituts für Nutztierbiologie Dummerstorf die Rede ist.
Wenn Kühe in einem ausreichend geräumigen Stall Rangkämpfen aus dem Weg gehen, sich von Kuhbürsten kratzen lassen oder im Sommer Schattenplätze auf der Weide finden und jederzeit in den kühlen Stall zurückgehen können, dann sind dies einige Beispiele für das Ausleben normaler Verhaltensmuster. Sie alle tragen zweifellos zum Tierwohl bei.
Es hängt nicht an der Weide
In dem Innovationsnetzwerk sind Weidegang und die tiergerechte Gestaltung geräumiger Ställe mit genügend Auslaufflächen wichtige Elemente. Alle Maßnahmen dienen dazu, die Tiere gesund zu erhalten und damit den Einsatz von Medikamenten, insbesondere von Antibiotika, zu minimieren.
Darüber hinaus sind die Biosicherheit[1] von Milchkuhställen und die Reduzierung tierhaltungsbedingter Emissionen weitere wesentliche Ansatzpunkte für die „Ställe der Zukunft“. Prof. Dr. Klaus Wimmers für Forschungsinstitut für Nutztierbiologie stellt dazu fest: „Umfassende Investitionen in neue und modernisierte Ställe für Milchkühe in den letzten Jahren haben die Haltungsbedingungen für die Tiere verbessern können, aber in der Digitalisierung, ‚Smart Farming‘ und der Entwicklung und Nutzung von Biomarkern[2] steckt noch viel Potenzial für weitere zukünftige Verbesserungen.“
DIALOG MILCH wird erneut berichten, wenn das Bild der „Ställe der Zukunft“ konkreter wird.
[1] „Mit Biosicherheit sind die Maßnahmen gemeint, die getroffen werden, um Krankheiten von Tierpopulationen, Beständen oder Gruppen fern zu halten, in denen sie bislang nicht auftreten, oder um die Ausbreitung der Krankheit innerhalb des Bestandes zu beschränken.“ (LWK Niedersachsen)
[2] „Biochemische Marker, biologische Substanzen (Proteine, Enzyme, Hormone) vor allem in Körperflüssigkeiten, anhand derer die zelluläre und chemische Aktivität eines Gewebes erkannt werden kann.“ (https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/biomarker/8715)