Die Welt ist reich an landestypischen Sauermilchprodukten. Viele von ihnen haben ihren Ursprung Tausende von Jahren vor unserer Zeitrechnung – die ersten Nachweise reichen bis zur Bronzezeit, vor mehr als 5.000 Jahren, zurück. Sie sind der Beweis, dass Milch schon sehr früh als nahrhaftes Lebensmittel von unseren Vorfahren genutzt wurde. Milch bot ihnen ein Überlebensvorteil, da sie unabhängig von äußeren Einflüssen (Umwelt, Klima) kontinuierlich zur Verfügung stand. Zudem war die Möglichkeit, dauerhaft auf Nahrungsmittel mit hohen Eiweiß- und Fettgehalten zurückzugreifen, im Laufe der Geschichte ein entscheidender Faktor für die Entwicklung der Menschheit.
Bei den meisten der damaligen Milchspezialitäten handelte es sich um gesäuerte Produkte. Diese hatten zum einen den Vorteil, dass sie länger haltbar waren als Milch. Zum anderen sind Sauermilchprodukte laktoseärmer und konnten von unseren Vorfahren besser vertragen werden.
Gesäuert – was heißt das?
Gesäuerte Milchprodukte werden aus Milch durch Fermentation (Milchsäuregärung) gewonnen. Natürlich vorkommende oder der Milch zugegebenen Milchsäurebakterien bauen einen Teil des Milchzuckers zu Milchsäure ab. Diese lässt das Milcheiweiß (Casein) gerinnen. Es fällt feinflockig aus, was sich darin äußert, dass die Milch dickflüssig bis stichfest wird. Deshalb nennt man das Säuern von Milch auch Dicklegen.
Das beliebteste gesäuerte Milchprodukt in Deutschland ist der Joghurt. Während der Säuerung muss der Joghurtansatz bei Temperaturen zwischen 40 und 45 Grad gehalten werden. Bei der Herstellung von Dickmilch oder Sauermilch werden Bakterienkulturen eingesetzt, die eine Temperatur von nur um die 20 Grad benötigen.
Neben der Milchsäuregärung gibt es außerdem die alkoholische Gärung. Hier wandeln Hefekulturen Zucker in Alkohol und Kohlensäure um. Kefir ist eine Sauermilchprodukt, bei dem neben der Milchsäuregärung auch eine alkoholische Gärung stattfindet. Die sogenannten Kefirknöllchen enthalten traditionell verschiedene Milchsäurestämme und zusätzlich Hefekulturen. In Deutschland wird in der Regel Kefir mild hergestellt, dessen Starterkulturen wenig Hefepilze enthalten und so weniger Kohlensäure und Alkohol produzieren.
Traditionelle gesäuerte Milchprodukte aus aller Welt
Dickmilch und ihre Verwandten
Typische Sauermilchprodukte aus Nordeuropa sind Filmjölk, Ymer und Viili. Die Schwedenmilch (Filmjölk) ist eine sämige, mild schmeckende Dickmilch. Filmjölk hat ursprünglich eine dicke, löffelfeste Konsistenz, wird aber vor dem Abfüllen flüssig gerührt. Der dänische Ymer und die finnische Sauermilch Viili sind der Schwedenmilch sehr ähnlich. In Deutschland wurde Dickmilch fast komplett von Joghurt verdrängt und wird in Supermärkten kaum noch angeboten.
Mit Joghurt und ihre Verwandten
Aus welcher Region Joghurt ursprünglich stammt, ist nicht belegt. Möglich ist, dass Joghurt mehrfach unabhängig von verschiedenen Völkern in unterschiedlichen Gegenden Eurasiens hergestellt wurde. Beispielhaft sind die nomadischen Turkvölker Zentralasiens zu nennen und die Thraker – die Urbevölkerung der Balkanhalbinsel. Letztere trugen um den Gürtel einen länglichen Sack aus Lammfell, welcher mit Schafsmilch gefüllt war. Durch die Körpertemperatur und die Mikroflora im Lammsack kam es zur Milchsäuregärung. Dank des russischen Bakteriologen Ilja Metschnikow, der die hohe Lebenserwartung bulgarischer Bauern mit dem Konsum von Joghurt erklärte, verbreitete sich Joghurt Anfang des 20. Jahrhunderts nach Mittel- und Westeuropa sowie nach Nordamerika.
Eine mit dem Joghurt vergleichbare fermentierte Schafsmilch ist heute noch in ländlichen Gegenden Bulgariens unter den Namen Katuk und unter der Bezeichnung Katik in Tatarstan und Usbekistan bekannt.
Rjaschenka ist ein Nationalgetränk in Russland, Weißrussland und der Ukraine. Ein Gemisch aus Milch und Sahne wird erhitzt und in einem niedrigen Tontopf in einen langsam erkaltenden Steinofen gestellt. Am nächsten Tag werden Joghurtkulturen hinzugefügt und die Milch bei etwa 40 Grad fermentiert. Rjaschenka ist gelblich-braun, von sahniger Konsistenz und hat einen milden Sauermilchgeschmack.
Auch auf dem afrikanischen Kontinent haben gesäuerte Milchprodukte eine lange Tradition. So ist zum Beispiel in Namibia und Südafrika Omaere beliebt. Hierbei handelt es sich um eine joghurtähnliche Sauermilch, welche aus Kuh- oder Ziegenmilch gewonnen wird. In Kenia wird Mursik getrunken, für das Milch in dafür speziell angefertigten, gewürzten „Milchkürbissen“ fermentiert wird.
Kefir und seine Verwandten
Kefir stammt aus der Kaukasus-Region. Der geringe Gehalt an Kohlensäure und Alkohol macht Kefir zu einem erfrischenden, etwas prickelnden dickflüssigen Milchgetränk. Ebenso wie bei Kefir wird auch bei der Herstellung von Kumys und Airag bzw. Choormog Hefe eingesetzt.
Kumys ist asiatischen Ursprungs und Airag stammt aus der Mongolei. Beide werden traditionell aus Stutenmilch hergestellt und gehörten zur Alltagsnahrung der Steppenvölker. Die Milchgetränke sind erfrischend, prickeln auf der Zunge und schmecken leicht säuerlich. Sie enthalten durchschnittlich 2 % Alkohol. Für die Nomaden waren sie eine reichhaltige Quelle an Vitaminen und Mineralstoffen und dienten teilweise als Ersatz für frisches Obst und Gemüse. Bei der Destillation von Airag erhält man den Branntwein Archi/Arkhi (Milchschnaps). Dieser kann auch aus Kefir hergestellt werden.
Choormog ist ein leicht alkoholisches Milchgetränk, das in der Mongolei überwiegend aus Yakmilch hergestellt wird. Der Yak ist eine in Hochasien weit verbreitete Rinderart. Ausgangsprodukt von Choormog ist Tarag, ein joghurtähnliches, dickflüssiges und homogenes Milchprodukt mit säuerlichem Geschmack. Durch Zusatz von Hefe entsteht das pikant-säuerliche und alkoholische Choormog.
Joghurtgetränke
Eine Sonderform der gesäuerten Milchprodukte stellen die nationalen Joghurtgetränke Ayran, Lassi und Dugh dar, die in vielfältigen salzigen und süßen Variationen angeboten werden.
Ayran ist ein türkisches Nationalgetränk für dessen Zubereitung Joghurt und Wasser im Verhältnis 2:1 mit etwas Salz schaumig gerührt werden. Als Basis dient vollfetter Joghurt aus Schafs- oder Kuhmilch mit stark säuernden Joghurtkulturen. Für das indische Joghurtgetränk Lassi wird Joghurt mit Wasser oder Milch im Verhältnis 1:1 oder 2:1 verrührt. Lassi wird gern zu scharfen Speisen getrunken, da es durch den Fettgehalt die Schärfe des Essens mildert und die Verdaulichkeit erhöht. Dugh ist in Iran, Irak und Afghanistan verbreitet. Er besteht aus einer Mischung von Joghurt, Molke und Wasser bzw. (kohlensäurehaltigem) Mineralwasser und ist leicht gesalzen. Die Konsistenz variiert von dickflüssig (4:1) bis dünnflüssig (1:1). Alle Zutaten müssen (eis)kalt sein
Produktgruppe | Sauermilch- produkt | Herkunftsland/Region | Beschreibung |
Dickmilch | Filmjölk/Ymer/Viili | Schweden/Dänemark/Finnland | sämige, mildschmeckende Sauermilch |
Joghurt | „Joghurt“ | Eurasien (Türkvölker/Thraker) | joghurtähnliches Sauermilchprodukt aus fermentierter Schafsmilch |
Katuk/Katik | Bulgarien/Tatarstan und Usbekistan | joghurtähnliches Sauermilchprodukt aus fermentierter Schafsmilch | |
Rjaschenka | Russland, Weißrußland, Ukraine | gelblich-braunes joghurtähnliches Sauermilchprodukt von sahniger Konsistenz und mildsaurem Geschmack | |
Omaere | Namibia/Südafrika | joghurtähnliches Sauermilchprodukt aus fermentierter Kuh- oder Ziegenmilch | |
Mursik | Kenia | in „Milchkürbissen“ fermentierte Milch | |
Kefir | Kefir | Kaukasus | Prickelndes, leicht alkoholhaltiges Sauermilchgetränk |
Kumys/Airag | Asien/Mongolei | kefirähnliches Sauermilchprodukt aus fermentierter Stutenmilch | |
Choormog | Mongolei | kefirähnliches Sauermilchprodukt aus fermentierter Yakmilch | |
Joghurtgetränke | Ayran | Türkei | Joghurt-Wasser-Mischung mit etwas Salz |
Lassi | Indien | Joghurt-Wasser (oder Milch)-Mischung | |
Dugh | Iran | Mischung aus Joghurt, Molke und Wasser (oder kohlensäurehaltiges Mineralwasser) mit etwas Salz |
Die kleine Tour durch Zeit und Regionen zeigt eindrucksvoll die Bedeutung der Milch auf – früher und heute, rund um den Globus. Entdecken auch Sie die Milch in ihrer Vielfältigkeit und stöbern Sie einfach weiter auf unserer Webseite.