Tierhaltung MilchFacts

Mehr Tierwohl ist gewünscht – aber auch für alle bezahlbar?

Es gibt eine Diskrepanz zwischen Aussagen wie „…würde mit 59 % die Mehrheit höhere Preise für Tierwohl-Fleisch akzeptieren“?[1] und dem tatsächlichen Verhalten beim Einkauf. Woher kommt das? Der Versuch einer Antwort.

Tierwohl in der Landwirtschaft ist ein Thema, das in den letzten Jahren verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit gerückt ist bzw. gerückt wurde. Die Medien greifen Fragen des Tierwohls landwirtschaftlicher Nutztiere viel häufiger auf als früher, und dies nicht selten unter Nutzung von Aufnahmen aus Ställen, die tatsächliche oder vermeintliche Missstände aufzeigen. Entsprechend emotional wird die Diskussion vielfach geführt – und nicht wenige Verbraucher bringen klar zum Ausdruck, dass ihnen mehr Tierwohl wichtig wäre.


Foto:  Aritha auf Pixabay

 

Mehr als ein Lippenbekenntnis?
So berichtete das elite Magazin schon 2016 unter dem Titel „Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für mehr Tierwohl mäßig“ von einer Studie, nach der 94 % der Befragten den Tierschutz in der Landwirtschaft für wichtig erachteten und 82 % die Meinung vertraten, dass landwirtschaftlich genutzte Tiere besser als bisher geschützt werden müssten[2]. Auch laut einer anderen Umfrage aus dem Jahr 2020 bestand mit 74 bzw. 72 Prozent die höchste Zahlungsbereitschaft in der Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren sowie bei den Senioren über sechzig Jahren.[3]


 

Nach diesem doch recht klaren Votum wird das Bild allerdings differenzierter, wenn die Bereitschaft hinterfragt wird, Tierwohl und Tierschutz auch tatsächlich über den Preis tierischer Erzeugnisse zu honorieren. So konnten sich in der erstgenannten Studie 35 % der Befragten vorstellen, für Produkte aus Haltungssystemen mit hohen Tierwohlstandards bis zu 5 % zusätzlich zu bezahlen. Weitere 16 % gaben seinerzeit an, einen Aufschlag von 6 % bis 10 % zahlen zu wollen. 5 % bzw. 3 % der Interviewten äußerten sogar die Bereitschaft, bis zu 20 % mehr ausgeben oder noch höhere Preise bezahlen zu wollen. Allerdings gab es mit 35 % der Befragten auch viele Verbraucher/Innen, für die eine tierfreundliche Haltung kein Grund für eine höhere Zahlungsbereitschaft darstellte.

Grenzen der Zahlungsbereitschaft
Lock- und Sonderangebote in den Fleischtheken der Supermärkte machen es sicherlich schwer, die eigentlich geäußerte Bereitschaft, höhere Preise für mehr Tierwohl zu bezahlen, auch tatsächlich und konsequent in die Tat umzusetzen. Die bereits in der Vergangenheit erkennbare „Abstimmung mit den Füßen“, d. h. der zielstrebige Griff nach Sonderangeboten vieler Konsumenten, hat im Jahr 2022 noch einmal eine ganz neue Dimension bekommen. Ukrainekrieg, drastisch steigende Preise für Energie und die zwischenzeitlich bei rund 10 % liegende Inflation zwingen viele Verbraucherinnen und Verbraucher noch viel mehr als früher dazu, äußerst preisbewusst einzukaufen.



Foto: Frangenberg



Nettoeinkommen – Bundeszentrale für politische Bildung[8]

Das bedeutet: Der Spielraum, mehr für Produkte des täglichen Bedarfs auszugeben, ist derzeit für viele Menschen einfach nicht mehr vorhanden. Der überwiegende Teil der Haushalte in Deutschland ist auf günstige Lebensmittel angewiesen, um den Wohlstand nicht zu gefährden. Viele, die beim Einkauf gefragt werden, ob sie mehr ausgeben würden, können dies offenbar nicht. Das wird auch an der Verteilung der Einkommen (vgl. Abb. Nettoeinkommen) in Deutschland vor dem Hintergrund erkennbar, dass die Lebenshaltungskosten laut Destatis[4] im Schnitt 2623 € im Monat betragen, wobei mit Stand Dezember 2022 Anteile von 37 % für Wohnen und Energie sowie 15 % für Nahrung und Genussmittel aufgewendet wurden. Aufs Jahr gerechnet liegen die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland damit bei 31.476 €. Entsprechend gaben befragte Verbraucherinnen und Verbraucher auch in dem ARD Morgenmagazin am 20. Januar 2023 an, aktuell gar nicht mehr auf Tierwohl zu achten oder sich entsprechende (Mehr-)Ausgaben zweimal zu überlegen. „Die Inflation zwinge die Konsumenten derzeit zum Sparen“, so das Fazit des ARD-Beitrags.[5]

Was sind mögliche Konsequenzen?
Ein denkbarer, vielleicht nicht einmal schlechter Weg wäre ein bewussterer Umgang mit Fleisch unter dem Motto „nicht jeden Tag, aber wenn schon, dann mit Genuss und Tierwohl“. Denkbar wäre – entsprechend den Empfehlungen der Borchert-Kommission – ein ausreichendes finanzielles Volumen staatlicher Programme für Umbau und Ausstattung der landwirtschaftlichen Betriebe. Denn klar ist: Wenn weder Markt noch Staat die notwendigen Investitionen der Betriebe honorieren und mitfinanzieren, dann können die Tierhalterinnen und Tierhalter alleine das erst recht nicht stemmen.



In-Vitro-Fleisch – BZfE nach Karlsruher Institut für Technikfolgenabschätzung

 

[1]https://www.schweine.net/news/verbraucher-umfrage-tierwohl.html

[2]https://www.elite-magazin.de/news/newsticker/zahlungsbereitschaft-der-verbraucher-fur-mehr-tierwohl-massig-3588.html

[3]https://www.ima-agrar.de/wissen/22-wissen/777-emnid-2020-chap-2

[4]https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Konsumausgaben-Lebenshaltungskosten/_inhalt.html

[5]https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/berichte-und-interviews/Tierwohl-und-Bio-100.html

[6]https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/clean-meat-ist-laborfleisch-die-zukunft-65071

[7]https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000076735

[8]https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61754/einkommen-privater-haushalte/

Tierhaltung MilchFacts

Mehr Tierwohl ist gewünscht – aber auch für alle bezahlbar?

Es gibt eine Diskrepanz zwischen Aussagen wie „…würde mit 59 % die Mehrheit höhere Preise für Tierwohl-Fleisch akzeptieren“?[1] und dem tatsächlichen Verhalten beim Einkauf. Woher kommt das? Der Versuch einer Antwort.

Tierwohl in der Landwirtschaft ist ein Thema, das in den letzten Jahren verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit gerückt ist bzw. gerückt wurde. Die Medien greifen Fragen des Tierwohls landwirtschaftlicher Nutztiere viel häufiger auf als früher, und dies nicht selten unter Nutzung von Aufnahmen aus Ställen, die tatsächliche oder vermeintliche Missstände aufzeigen. Entsprechend emotional wird die Diskussion vielfach geführt – und nicht wenige Verbraucher bringen klar zum Ausdruck, dass ihnen mehr Tierwohl wichtig wäre.


Foto:  Aritha auf Pixabay

 

Mehr als ein Lippenbekenntnis?
So berichtete das elite Magazin schon 2016 unter dem Titel „Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für mehr Tierwohl mäßig“ von einer Studie, nach der 94 % der Befragten den Tierschutz in der Landwirtschaft für wichtig erachteten und 82 % die Meinung vertraten, dass landwirtschaftlich genutzte Tiere besser als bisher geschützt werden müssten[2]. Auch laut einer anderen Umfrage aus dem Jahr 2020 bestand mit 74 bzw. 72 Prozent die höchste Zahlungsbereitschaft in der Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren sowie bei den Senioren über sechzig Jahren.[3]


 

Nach diesem doch recht klaren Votum wird das Bild allerdings differenzierter, wenn die Bereitschaft hinterfragt wird, Tierwohl und Tierschutz auch tatsächlich über den Preis tierischer Erzeugnisse zu honorieren. So konnten sich in der erstgenannten Studie 35 % der Befragten vorstellen, für Produkte aus Haltungssystemen mit hohen Tierwohlstandards bis zu 5 % zusätzlich zu bezahlen. Weitere 16 % gaben seinerzeit an, einen Aufschlag von 6 % bis 10 % zahlen zu wollen. 5 % bzw. 3 % der Interviewten äußerten sogar die Bereitschaft, bis zu 20 % mehr ausgeben oder noch höhere Preise bezahlen zu wollen. Allerdings gab es mit 35 % der Befragten auch viele Verbraucher/Innen, für die eine tierfreundliche Haltung kein Grund für eine höhere Zahlungsbereitschaft darstellte.

Grenzen der Zahlungsbereitschaft
Lock- und Sonderangebote in den Fleischtheken der Supermärkte machen es sicherlich schwer, die eigentlich geäußerte Bereitschaft, höhere Preise für mehr Tierwohl zu bezahlen, auch tatsächlich und konsequent in die Tat umzusetzen. Die bereits in der Vergangenheit erkennbare „Abstimmung mit den Füßen“, d. h. der zielstrebige Griff nach Sonderangeboten vieler Konsumenten, hat im Jahr 2022 noch einmal eine ganz neue Dimension bekommen. Ukrainekrieg, drastisch steigende Preise für Energie und die zwischenzeitlich bei rund 10 % liegende Inflation zwingen viele Verbraucherinnen und Verbraucher noch viel mehr als früher dazu, äußerst preisbewusst einzukaufen.



Foto: Frangenberg



Nettoeinkommen – Bundeszentrale für politische Bildung[8]

Das bedeutet: Der Spielraum, mehr für Produkte des täglichen Bedarfs auszugeben, ist derzeit für viele Menschen einfach nicht mehr vorhanden. Der überwiegende Teil der Haushalte in Deutschland ist auf günstige Lebensmittel angewiesen, um den Wohlstand nicht zu gefährden. Viele, die beim Einkauf gefragt werden, ob sie mehr ausgeben würden, können dies offenbar nicht. Das wird auch an der Verteilung der Einkommen (vgl. Abb. Nettoeinkommen) in Deutschland vor dem Hintergrund erkennbar, dass die Lebenshaltungskosten laut Destatis[4] im Schnitt 2623 € im Monat betragen, wobei mit Stand Dezember 2022 Anteile von 37 % für Wohnen und Energie sowie 15 % für Nahrung und Genussmittel aufgewendet wurden. Aufs Jahr gerechnet liegen die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland damit bei 31.476 €. Entsprechend gaben befragte Verbraucherinnen und Verbraucher auch in dem ARD Morgenmagazin am 20. Januar 2023 an, aktuell gar nicht mehr auf Tierwohl zu achten oder sich entsprechende (Mehr-)Ausgaben zweimal zu überlegen. „Die Inflation zwinge die Konsumenten derzeit zum Sparen“, so das Fazit des ARD-Beitrags.[5]

Was sind mögliche Konsequenzen?
Ein denkbarer, vielleicht nicht einmal schlechter Weg wäre ein bewussterer Umgang mit Fleisch unter dem Motto „nicht jeden Tag, aber wenn schon, dann mit Genuss und Tierwohl“. Denkbar wäre – entsprechend den Empfehlungen der Borchert-Kommission – ein ausreichendes finanzielles Volumen staatlicher Programme für Umbau und Ausstattung der landwirtschaftlichen Betriebe. Denn klar ist: Wenn weder Markt noch Staat die notwendigen Investitionen der Betriebe honorieren und mitfinanzieren, dann können die Tierhalterinnen und Tierhalter alleine das erst recht nicht stemmen.



In-Vitro-Fleisch – BZfE nach Karlsruher Institut für Technikfolgenabschätzung

 

[1]https://www.schweine.net/news/verbraucher-umfrage-tierwohl.html

[2]https://www.elite-magazin.de/news/newsticker/zahlungsbereitschaft-der-verbraucher-fur-mehr-tierwohl-massig-3588.html

[3]https://www.ima-agrar.de/wissen/22-wissen/777-emnid-2020-chap-2

[4]https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Konsumausgaben-Lebenshaltungskosten/_inhalt.html

[5]https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/berichte-und-interviews/Tierwohl-und-Bio-100.html

[6]https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/clean-meat-ist-laborfleisch-die-zukunft-65071

[7]https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000076735

[8]https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61754/einkommen-privater-haushalte/

Tierhaltung MilchFacts

Mehr Tierwohl ist gewünscht – aber auch für alle bezahlbar?

Es gibt eine Diskrepanz zwischen Aussagen wie „…würde mit 59 % die Mehrheit höhere Preise für Tierwohl-Fleisch akzeptieren“?[1] und dem tatsächlichen Verhalten beim Einkauf. Woher kommt das? Der Versuch einer Antwort.

Tierwohl in der Landwirtschaft ist ein Thema, das in den letzten Jahren verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit gerückt ist bzw. gerückt wurde. Die Medien greifen Fragen des Tierwohls landwirtschaftlicher Nutztiere viel häufiger auf als früher, und dies nicht selten unter Nutzung von Aufnahmen aus Ställen, die tatsächliche oder vermeintliche Missstände aufzeigen. Entsprechend emotional wird die Diskussion vielfach geführt – und nicht wenige Verbraucher bringen klar zum Ausdruck, dass ihnen mehr Tierwohl wichtig wäre.


Foto:  Aritha auf Pixabay

 

Mehr als ein Lippenbekenntnis?
So berichtete das elite Magazin schon 2016 unter dem Titel „Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für mehr Tierwohl mäßig“ von einer Studie, nach der 94 % der Befragten den Tierschutz in der Landwirtschaft für wichtig erachteten und 82 % die Meinung vertraten, dass landwirtschaftlich genutzte Tiere besser als bisher geschützt werden müssten[2]. Auch laut einer anderen Umfrage aus dem Jahr 2020 bestand mit 74 bzw. 72 Prozent die höchste Zahlungsbereitschaft in der Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren sowie bei den Senioren über sechzig Jahren.[3]


 

Nach diesem doch recht klaren Votum wird das Bild allerdings differenzierter, wenn die Bereitschaft hinterfragt wird, Tierwohl und Tierschutz auch tatsächlich über den Preis tierischer Erzeugnisse zu honorieren. So konnten sich in der erstgenannten Studie 35 % der Befragten vorstellen, für Produkte aus Haltungssystemen mit hohen Tierwohlstandards bis zu 5 % zusätzlich zu bezahlen. Weitere 16 % gaben seinerzeit an, einen Aufschlag von 6 % bis 10 % zahlen zu wollen. 5 % bzw. 3 % der Interviewten äußerten sogar die Bereitschaft, bis zu 20 % mehr ausgeben oder noch höhere Preise bezahlen zu wollen. Allerdings gab es mit 35 % der Befragten auch viele Verbraucher/Innen, für die eine tierfreundliche Haltung kein Grund für eine höhere Zahlungsbereitschaft darstellte.

Grenzen der Zahlungsbereitschaft
Lock- und Sonderangebote in den Fleischtheken der Supermärkte machen es sicherlich schwer, die eigentlich geäußerte Bereitschaft, höhere Preise für mehr Tierwohl zu bezahlen, auch tatsächlich und konsequent in die Tat umzusetzen. Die bereits in der Vergangenheit erkennbare „Abstimmung mit den Füßen“, d. h. der zielstrebige Griff nach Sonderangeboten vieler Konsumenten, hat im Jahr 2022 noch einmal eine ganz neue Dimension bekommen. Ukrainekrieg, drastisch steigende Preise für Energie und die zwischenzeitlich bei rund 10 % liegende Inflation zwingen viele Verbraucherinnen und Verbraucher noch viel mehr als früher dazu, äußerst preisbewusst einzukaufen.



Foto: Frangenberg



Nettoeinkommen – Bundeszentrale für politische Bildung[8]

Das bedeutet: Der Spielraum, mehr für Produkte des täglichen Bedarfs auszugeben, ist derzeit für viele Menschen einfach nicht mehr vorhanden. Der überwiegende Teil der Haushalte in Deutschland ist auf günstige Lebensmittel angewiesen, um den Wohlstand nicht zu gefährden. Viele, die beim Einkauf gefragt werden, ob sie mehr ausgeben würden, können dies offenbar nicht. Das wird auch an der Verteilung der Einkommen (vgl. Abb. Nettoeinkommen) in Deutschland vor dem Hintergrund erkennbar, dass die Lebenshaltungskosten laut Destatis[4] im Schnitt 2623 € im Monat betragen, wobei mit Stand Dezember 2022 Anteile von 37 % für Wohnen und Energie sowie 15 % für Nahrung und Genussmittel aufgewendet wurden. Aufs Jahr gerechnet liegen die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland damit bei 31.476 €. Entsprechend gaben befragte Verbraucherinnen und Verbraucher auch in dem ARD Morgenmagazin am 20. Januar 2023 an, aktuell gar nicht mehr auf Tierwohl zu achten oder sich entsprechende (Mehr-)Ausgaben zweimal zu überlegen. „Die Inflation zwinge die Konsumenten derzeit zum Sparen“, so das Fazit des ARD-Beitrags.[5]

Was sind mögliche Konsequenzen?
Ein denkbarer, vielleicht nicht einmal schlechter Weg wäre ein bewussterer Umgang mit Fleisch unter dem Motto „nicht jeden Tag, aber wenn schon, dann mit Genuss und Tierwohl“. Denkbar wäre – entsprechend den Empfehlungen der Borchert-Kommission – ein ausreichendes finanzielles Volumen staatlicher Programme für Umbau und Ausstattung der landwirtschaftlichen Betriebe. Denn klar ist: Wenn weder Markt noch Staat die notwendigen Investitionen der Betriebe honorieren und mitfinanzieren, dann können die Tierhalterinnen und Tierhalter alleine das erst recht nicht stemmen.



In-Vitro-Fleisch – BZfE nach Karlsruher Institut für Technikfolgenabschätzung

 

[1]https://www.schweine.net/news/verbraucher-umfrage-tierwohl.html

[2]https://www.elite-magazin.de/news/newsticker/zahlungsbereitschaft-der-verbraucher-fur-mehr-tierwohl-massig-3588.html

[3]https://www.ima-agrar.de/wissen/22-wissen/777-emnid-2020-chap-2

[4]https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Konsumausgaben-Lebenshaltungskosten/_inhalt.html

[5]https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/berichte-und-interviews/Tierwohl-und-Bio-100.html

[6]https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/clean-meat-ist-laborfleisch-die-zukunft-65071

[7]https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000076735

[8]https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61754/einkommen-privater-haushalte/

Tierhaltung MilchFacts

Mehr Tierwohl ist gewünscht – aber auch für alle bezahlbar?

Es gibt eine Diskrepanz zwischen Aussagen wie „…würde mit 59 % die Mehrheit höhere Preise für Tierwohl-Fleisch akzeptieren“?[1] und dem tatsächlichen Verhalten beim Einkauf. Woher kommt das? Der Versuch einer Antwort.

Tierwohl in der Landwirtschaft ist ein Thema, das in den letzten Jahren verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit gerückt ist bzw. gerückt wurde. Die Medien greifen Fragen des Tierwohls landwirtschaftlicher Nutztiere viel häufiger auf als früher, und dies nicht selten unter Nutzung von Aufnahmen aus Ställen, die tatsächliche oder vermeintliche Missstände aufzeigen. Entsprechend emotional wird die Diskussion vielfach geführt – und nicht wenige Verbraucher bringen klar zum Ausdruck, dass ihnen mehr Tierwohl wichtig wäre.


Foto:  Aritha auf Pixabay

 

Mehr als ein Lippenbekenntnis?
So berichtete das elite Magazin schon 2016 unter dem Titel „Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für mehr Tierwohl mäßig“ von einer Studie, nach der 94 % der Befragten den Tierschutz in der Landwirtschaft für wichtig erachteten und 82 % die Meinung vertraten, dass landwirtschaftlich genutzte Tiere besser als bisher geschützt werden müssten[2]. Auch laut einer anderen Umfrage aus dem Jahr 2020 bestand mit 74 bzw. 72 Prozent die höchste Zahlungsbereitschaft in der Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren sowie bei den Senioren über sechzig Jahren.[3]


 

Nach diesem doch recht klaren Votum wird das Bild allerdings differenzierter, wenn die Bereitschaft hinterfragt wird, Tierwohl und Tierschutz auch tatsächlich über den Preis tierischer Erzeugnisse zu honorieren. So konnten sich in der erstgenannten Studie 35 % der Befragten vorstellen, für Produkte aus Haltungssystemen mit hohen Tierwohlstandards bis zu 5 % zusätzlich zu bezahlen. Weitere 16 % gaben seinerzeit an, einen Aufschlag von 6 % bis 10 % zahlen zu wollen. 5 % bzw. 3 % der Interviewten äußerten sogar die Bereitschaft, bis zu 20 % mehr ausgeben oder noch höhere Preise bezahlen zu wollen. Allerdings gab es mit 35 % der Befragten auch viele Verbraucher/Innen, für die eine tierfreundliche Haltung kein Grund für eine höhere Zahlungsbereitschaft darstellte.

Grenzen der Zahlungsbereitschaft
Lock- und Sonderangebote in den Fleischtheken der Supermärkte machen es sicherlich schwer, die eigentlich geäußerte Bereitschaft, höhere Preise für mehr Tierwohl zu bezahlen, auch tatsächlich und konsequent in die Tat umzusetzen. Die bereits in der Vergangenheit erkennbare „Abstimmung mit den Füßen“, d. h. der zielstrebige Griff nach Sonderangeboten vieler Konsumenten, hat im Jahr 2022 noch einmal eine ganz neue Dimension bekommen. Ukrainekrieg, drastisch steigende Preise für Energie und die zwischenzeitlich bei rund 10 % liegende Inflation zwingen viele Verbraucherinnen und Verbraucher noch viel mehr als früher dazu, äußerst preisbewusst einzukaufen.



Foto: Frangenberg



Nettoeinkommen – Bundeszentrale für politische Bildung[8]

Das bedeutet: Der Spielraum, mehr für Produkte des täglichen Bedarfs auszugeben, ist derzeit für viele Menschen einfach nicht mehr vorhanden. Der überwiegende Teil der Haushalte in Deutschland ist auf günstige Lebensmittel angewiesen, um den Wohlstand nicht zu gefährden. Viele, die beim Einkauf gefragt werden, ob sie mehr ausgeben würden, können dies offenbar nicht. Das wird auch an der Verteilung der Einkommen (vgl. Abb. Nettoeinkommen) in Deutschland vor dem Hintergrund erkennbar, dass die Lebenshaltungskosten laut Destatis[4] im Schnitt 2623 € im Monat betragen, wobei mit Stand Dezember 2022 Anteile von 37 % für Wohnen und Energie sowie 15 % für Nahrung und Genussmittel aufgewendet wurden. Aufs Jahr gerechnet liegen die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in Deutschland damit bei 31.476 €. Entsprechend gaben befragte Verbraucherinnen und Verbraucher auch in dem ARD Morgenmagazin am 20. Januar 2023 an, aktuell gar nicht mehr auf Tierwohl zu achten oder sich entsprechende (Mehr-)Ausgaben zweimal zu überlegen. „Die Inflation zwinge die Konsumenten derzeit zum Sparen“, so das Fazit des ARD-Beitrags.[5]

Was sind mögliche Konsequenzen?
Ein denkbarer, vielleicht nicht einmal schlechter Weg wäre ein bewussterer Umgang mit Fleisch unter dem Motto „nicht jeden Tag, aber wenn schon, dann mit Genuss und Tierwohl“. Denkbar wäre – entsprechend den Empfehlungen der Borchert-Kommission – ein ausreichendes finanzielles Volumen staatlicher Programme für Umbau und Ausstattung der landwirtschaftlichen Betriebe. Denn klar ist: Wenn weder Markt noch Staat die notwendigen Investitionen der Betriebe honorieren und mitfinanzieren, dann können die Tierhalterinnen und Tierhalter alleine das erst recht nicht stemmen.



In-Vitro-Fleisch – BZfE nach Karlsruher Institut für Technikfolgenabschätzung

 

[1]https://www.schweine.net/news/verbraucher-umfrage-tierwohl.html

[2]https://www.elite-magazin.de/news/newsticker/zahlungsbereitschaft-der-verbraucher-fur-mehr-tierwohl-massig-3588.html

[3]https://www.ima-agrar.de/wissen/22-wissen/777-emnid-2020-chap-2

[4]https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Konsumausgaben-Lebenshaltungskosten/_inhalt.html

[5]https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/berichte-und-interviews/Tierwohl-und-Bio-100.html

[6]https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/clean-meat-ist-laborfleisch-die-zukunft-65071

[7]https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000076735

[8]https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61754/einkommen-privater-haushalte/