Dieses Thema stand im Mittelpunkt eines Workshops anlässlich der 75. Jahrestagung der GfE (Gesellschaft für Ernährungsphysiologie) im März 2021[1]. DIALOG MILCH hat sich bereits in früheren Beiträgen (MilchFacts , Hofreportagen) mit diesem Themenkomplex befasst und stellt hier einige aktuelle Ansätze aus dem Workshop vor.
Wiederkäuer stehen in der Kritik: Ihnen wird zum Teil ein hoher Anteil an der Emission klimaschädlicher Gase wie Methan zugeschrieben[2]. Was ist der Ausgangspunkt, wie steht es aktuell, und welche Lösungen sieht die Wissenschaft?
Ausgangspunkt
Aus rein biologischer Sicht resultiert die Methanbildung im Verdauungstrakt von Rindern aus einer evolutionären Entwicklung. Als Ergebnis dieses langen Prozesses sind Rinder wie auch andere Wiederkäuer dazu in der Lage, Cellulose, also pflanzliche Nahrung, zu verwerten. Während nämlich insbesondere die Gerüstkohlenhydrate bzw. Faserstoffe etwa aus Gras oder anderen Grobfuttermitteln vom Menschen und anderen Tieren nicht erschlossen werden können, sind Wiederkäuer in der Lage, diese Stoffe zu verdauen und als Nahrungsquelle zu nutzen.
Eine wesentliche Ressource
Erst durch Wiederkäuer wird eine weltweit enorm große Ressource – rund 40 Prozent[3] der globalen Landfläche sind Grasland – als Nahrungsquelle nutzbar. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: Bei der Verdauung dieser pflanzlichen Substanzen durch die Wiederkäuer entsteht Methan, das als klimawirksame Emission an die Umwelt abgegeben wird. Deshalb zielen Weiterentwicklungen bei Fütterung und Zucht der Rinder darauf ab, den Zielkonflikt zwischen der Nutzung dieser wichtigen Ressource und den damit verbundenen Umweltwirkungen weiter zu entschärfen.
Wie relevant sind Kühe für das Klima?
PD Dr. Björn Kuhla vom Institut für Ernährungsphysiologie in Dummerstorf zeigte bei dem Workshop die Bedeutung des Methans aus der Rinderhaltung für den Treibhausgaseffekt auf. Nach seinen Ausführungen tragen Wiederkäuer mit rund fünf Prozent zu den globalen Gesamtemissionen von Treibhausgasen bei und dürften deshalb „nicht als allgemeine ‚Klimakiller‘ bezeichnet werden“. Angesichts von weltweit insgesamt rund 999,66 Millionen landwirtschaftlich gehaltenen Rindern[4] und etwa 3,97 Millionen Milchkühen in Deutschland[5] scheint deren Beitrag zu den globalen Treibhausgasemissionen tatsächlich mitunter überbewertet.
Blick auf die Minderungspotenziale
Es gibt bereits Ansätze, den Anteil der Wiederkäuer an den Emissionen um rund 30 Prozent zu vermindern. Nach Einschätzung von Dr. Björn Kuhla scheint eine Kombination, „die auf eine optimierte Fütterung zur Erhaltung der Tiergesundheit abzielt und gleichzeitig eine Reduzierung von Methanemissionen und eine verstärkte Kohlenstoffbindung im Boden anstrebt“, der vielversprechendste Weg zu sein. Dazu können nach seiner Meinung auch intelligente Weidehaltungskonzepte beitragen.
Ansätze in der Zucht
Aussichtsreiche Möglichkeiten werden beispielsweise in der zuverlässigen Erfassung der tierindividuellen Methanemissionen gesehen. Zur Abschätzung der Methanemission von Kühen können mittlere Infrarotspektren (MIR) der Milch genutzt werden. Wenn diese Erkenntnisse aus solchen Untersuchungen langfristig in das Herdenmanagement und in die Zucht einfließen, kann auch auf diesem Weg eine Minderung der Methanemissionen erreicht werden. Denn: Unterschiedliche Methanemissionen, die bei gleicher Fütterung und Leistung zu beobachten sind, werden zum Teil vom Erbgut – der Genetik – der Kühe bestimmt. Allerdings arbeitet die Wissenschaft derzeit noch an der Frage, ob die Zusammensetzung der verdauungsrelevanten Mikroorganismen im Pansen der Wiederkäuer, das sogenannte Mikrobiom, stärker züchterisch bearbeitet werden kann, und welche Zuchtstrategie dabei gegebenenfalls die größten Erfolge verspricht.
Ansätze über die Fütterung
Die möglichen Maßnahmen zur „Steuerung der Methanemission durch die Fütterung“ scheinen vielfältig. Allerdings variieren „die Effizienz, der Preis und die Nebenwirkungen, insbesondere auf die Leistung“ stark. Nach Aussagen von Prof. Dr. Michael Kreuzer von der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich müssen die einzelnen Minderungsmaßnahmen auch hinsichtlich ihrer Wirkungen auf andere Emissionen wie die von Stickstoff in Form von Lachgas, Ammoniak oder Nitrat untersucht werden. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass Methan im Vergleich zu Kohlendioxid eine wesentlich kürzere Halbwertszeit in der Atmosphäre aufweist – und sich damit die Frage stellt, wie schnell und wie effizient einzelne Fütterungsstrategien zu einer spürbaren Senkung der gesamten Emissionen beitragen können.
DIALOG MILCH wird auch bei diesem Thema „am Ball bleiben“ und berichten, wenn neue Erkenntnisse veröffentlicht werden.
[3]https://www.lebendigeerde.de/index.php?id=essay_114
[4]https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28931/umfrage/weltweiter-rinderbestand-seit-1990/